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  • Die Diskussionsteilnehmer und Workshop-Verantwortlichen am NNZ Symposium 2023Die Diskussionsteilnehmerinnen und -teilnehmer und Workshop-Verantwortlichen am NNZ Symposium 2023 (Bild: Monique Wittwer)

Zentralschweiz bekämpft Klimawandel

Das Symposium des Nachhaltigkeitsnetzwerks Zentralschweiz NNZ brachte Wirtschaft, Bildung, NGOs, Politik und Verwaltung zusammen. Es wurden Lösungsansätze zur Bekämpfung des Klimawandels entwickelt und diskutiert. Der breite Konsens: Es braucht einen Werte- und Haltungswandel in Wirtschaft und Gesellschaft. Organisator und NNZ-Geschäftsführer Simon Howald: «Wir müssen heute gemeinsam auf den Weg gehen, damit wir morgen einen Schritt weiter sind. Stehen bleiben ist keine Option.» 

Über 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen am Freitagnachmittag, 27. Januar nach Luzern, um sich auszutauschen, zu vernetzen, den Vertretern aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Bildung und NGOs zuzuhören, mit zu debattieren, zu lernen, um Strategien zu entwickeln gegen den Klimawandel, und um miteinander das Erarbeitete und die neu geknüpften Kontakte weiterzutragen. Die Bekämpfung des Klimawandels, des Ziels Nummer 13 der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung, stand im Zentrum der zweiten Ausgabe des vom «Nachhaltigkeitsnetzwerk Zentralschweiz» (NNZ) organisierten Netzwerktreffens und Symposiums. 

Mehrere Perspektiven: Netzwerken, um komplexes Problem anzugehen 

Im einleitenden Talk mit Moderator Thomas Odermatt betonten die drei NNZ-Vorstandsmitglieder Adrian Derungs (Industrie- und Handelskammer Zentralschweiz IHZ), Andrea Weber-Hansen (Hochschule Luzern) und Stephan Buhofer (WWF Zentralschweiz), dass der branchenübergreifende Austausch der Kern des NNZ sei. «Sämtliche Akteure und Organisationen müssen näher zusammenarbeiten, um die komplexen Fragestellungen der nachhaltigen Entwicklung gemeinsam zu lösen», ist Derungs überzeugt.

«Ziel 13 der Agenda 2030 ist Basis für viele der anderen Ziele darin», erklärte Buhofer die Themenwahl des Symposiums. Der WWF sei strategisch ausgerichtet, mit der Wirtschaft und dem Staat zusammenzuarbeiten. Damit betonte Buhofer die Bedeutung von Austausch und Kooperation gegenüber Alleingängen. Die Hochschule Luzern sei daran, ihre Forschung und Lehrangebote auf die Klimastrategie des Bundes auszurichten und das Wissen dazu – mehr als bisher – in die Praxis zu tragen, sagte Weber-Hansen. In Kürze lanciere die Hochschule Luzern einen neuern Masterstudiengang «MAS Netto Null in Unternehmen». «Branchen wie Textil, Bau, Edelsteine in der Zentralschweiz beschäftigen sich schon seit einigen Jahren mit dem Thema, weil sie unter anderem aufgrund der Lieferketten direkt mit Nachhaltigkeitsfragen konfrontiert sind», sagte Derungs. Dabei gebe es neben der Suche nach inhaltlichen Lösungen auch Fragen, mit welchen Instrumenten und Prozessen Unternehmen sich sinnvoll im Bereich der Nachhaltigkeit engagieren können. Es sei zudem wichtig, wirtschaftlich erfolgreiche Leuchtturmprojekte zu kommunizieren. 

Teilnehmerinnen diskussieren in Workshops über Lösungsansätze in der Zentraslchweiz zur Bekämpfung des Klimawandels (Bild: Monique Witttwer)

Sharing als eine Handlungsempfehlung 

Die Nachmittagsstunden schritten voran. Die Stimmung war konzentriert. Drei Inspirationsreferate aus den Perspektiven von Bund, Forschung und Wirtschaft zeigten aus unterschiedlichen Perspektiven die aktuellen Möglichkeiten eines Engagements für die nachhaltige Entwicklung auf. Eine gute Einstimmung auf die sechs thematisch unterteilten Workshops, in denen hochkarätige Workshop Leaders einen kurzen Einstieg ins Thema gestalteten und den Austausch der Teilnehmenden moderierten. Es ging weniger darum, fertige Lösungen zu finden, als vielmehr die Vielfalt von Ideen und Positionen im Rahmen der Fakten zu entdecken, mit gegensätzlichen Meinungen, Empfehlungen und Interessen umzugehen, die persönlichen Erfahrungen auszutauschen und Ansätze zu finden, die eigenen Gewohnheiten zu überdenken. Das Ziel der Workshops ist die Erarbeitung von Handlungsempfehlungen für die Zentralschweizer Gesellschaft und Wirtschaft, um dem Klimawandel im Alltag entgegenzuwirken: «In der Mobilität ist Sharing ein Schritt in die richtige Richtung», so Sarah Troxler vom Verkehrsverbund Luzern und Programmverantwortliche für Luzernmobil.ch. Denn der grösste Verursacher der Treibhausgas-Emissionen in der Schweiz sei der Verkehr, wobei der grössere Teil auf die Freizeitmobilität fällt – und nicht wie oft vermutet für den Arbeitsweg. Auch bei Gebäude, Bau und Architektur sei Sharing ein mögliches Instrument zur Reduktion der Emissionen neben den Entwicklungen in der Technik. Potenzial liege auch im ressourcenoptimierten Denken und zirkulären Bauen, wo man Bauteile wiederverwenden kann, so Gianrico Settembrini, Leiter der Forschungsgruppe Nachhaltiges Bauen und Erneuern der Hochschule Luzern.  

 Die Vorstellungen für eine klimafreundliche Landwirtschaft und Ernährung seien vielfältig. Dialog schaffe Verständnis und könne etwas bewirken, sagte Katrin Blassmann, Leiterin des Schweizerischen Agrarmuseums Burgrain. Über alle Sektoren (Landwirtschaft, Verarbeitung, Handel, Gastronomie und Haushalte) gesehen, werde jedes dritte Lebensmittel weggeworfen. Man könne die Gewohnheiten und Muster hinterfragen, um Foodwaste zu verhindern, erklärte die studierte Mikrobiologin und Geschäftsführerin von foodwaste.ch Karin Spori. 

Corona habe das Business-Travel-Verhalten stark verändert. «Dennoch bleiben Zielkonflikte zwischen interkulturellem Austausch, Kosten und Zeit beim Reisen», sagte Christine Bratrich von der Hochschule Luzern. Schon vor Jahren hat sich Bratrich für das Reisen ohne Flugzeug in ihrer Freizeit entschieden – zuletzt fuhr sie von Oslo bis zum Nordkap mit dem Fahrrad. Workshop Leader Jennifer Obanla übte und reflektierte mit den Teilnehmenden über Kompetenzen, um sich in einem komplexen System zu bewegen. Denn das Problem des Klimawandels und der nachhaltigen Entwicklung sei ein komplexes. 

Podiumsdiskussion mit Thomas Odermatt (Moderator), Nadine Berchtold (IFZ), Adrian Derungs (IHZ), Max Renggli (Renggli AG), Daniel Dubas (Delegierter des Bundesrates für die Agenda 2030) (v.l.n.r., Bild: Monique Wittwer)

KMUs sehen weniger Chancen im Klimawandel 

In der abschliessendem Paneldiskussion gingen die Gesprächsgäste der Frage nach, wie man KMU vermehrt in ihrer nachhaltigen Entwicklung unterstützen kann. Denn insbesondere in kleinen und mittelgrossen Unternehmen fehlen oft die Ressourcen sowie die Expertise um Klimarisiken aktiv zu managen. 

Als Mitautorin des ERM Reports 2022 «Climate Risk Management in Schweizer und deutschen Unternehmen» zeigte Nadine Berchtold vom Institut für Finanzdienstleistungen Zug (IFZ) auf, wie die Wissenschaft mit gezielten Umfragen bei KMUs und Grossunternehmen arbeitet. Ihre Bilanz: Oft werde die Sicht eingenommen, wie Unternehmen als Verursacher des Klimawandels agierten. In ihrer Studie jedoch stellte man die Frage, welche Risiken das Klima auf die Unternehmen hat und wie das Risikomanagement der Betroffenen aussehe. Je nach Branche sei man bereits heute stärker betroffen, wie etwa solche, die mit Rohstoffkosten zu kämpfen haben. Auch die Einschätzung der Risiken seien unterschiedlich. Grossunternehmen haben mehr Ressourcen, sich mit dem Problem auseinanderzusetzen, weshalb sie in der Tendenz mehr Chancen im Klimawandel sehen als die KMUs. Nachhaltiges Verhalten kann als Folge von externem und internem Druck resultieren. Bei externem Druck erhoffe man sich eine Verbesserung der Reputation. Bei internem Druck würden Lösungsansätze von Mitarbeitenden in die Unternehmen getragen.

Genau hier setzt der Bund an. Daniel Dubas ist Delegierter des Bundesrates für die Agenda 2030. Die Agenda 2030 sei völkerrechtlich nicht verbindlich, jedoch habe sich der Bundesrat politisch zu deren Umsetzung verpflichtet, und das Parlament wolle sich zunehmend engagieren. Der Bundesrat wolle gute Rahmenbedingungen setzen über Gesetze und Strategien, zur Lösung von Zielkonflikten beitragen und Lücken bei der Umsetzung schliessen. Der Konsum sei ein zentraler Punkt, genauso wie die Bekämpfung des Klimawandels. Mit Ownership wolle man die Bevölkerung sensibilisieren und Erfahrungsaustausch ermöglichen. Mit dem Instrument der Toolbox Agenda 2030 für Kantone und Gemeinden im Internet stelle der Bund Erfolgsbeispiele von Nachhaltigkeitsprojekten zur Verfügung. Eine Toolbox für KMUs sei in der Entstehung, in der man künftig nach verschiedenen Kriterien filtern könne, wie etwa nach Branchen oder Themen.

Regionale Expertise, dezentrale Lösungen und Mut 

Als Direktor der Industrie- und Handelskammer Zentralschweiz ist Adrian Derungs nah am Puls der Wirtschaft. Für ihn sei klar: Es gebe nicht DIE Lösung für KMUs, dafür seien selbst in der Zentralschweiz die regionalen und branchenspezifischen Bedingungen zu verschieden. Man müsse sich dezentral organisieren und nicht alles an den Bund delegieren. Man könne sich aber auf eines einigen: Es brauche einen Wertewandel. 

Die Renggli AG gehört zu den Pionieren der Schweizer Bauszene und gilt als Vorreiter des nachhaltigen Bauens in der Schweiz. Sie baut mit Holz und Minergie. Max Renggli führt das 1923 gegründete Familienunternehmen seit 1987. Schon in Referaten vor 35 Jahren habe er gesagt, es sei 5 vor 12. Heute sagt er, es sei längst spät am Nachmittag. Die Folgen des Klimawandels seien an manchen Orten bereits dramatisch. Die Vision der Renggli AG sei: Wir bauen für eine lebenswerte Zukunft. Wie die Mücke im Raum sei kein Unternehmen zu klein, um keine Bedeutung zu haben. Es brauche ein Wertewandel in der Gesellschaft, Mut jedes einzelnen Akteurs, klare Vorgaben und Kriterien vom Bund und gleichzeitig eine Reduktion von unnötiger Bürokratie.

Vernetzen gegen den Klimawandel 

Nach dem NNZ Symposium am Apéro zeigte sich die Christa Wenger, Präsidentin der Reformierten Kirche Luzern, erfreut, dass man am Anlass Klartext bezüglich Klimakrise sprach und keine Zweifel an ihrer Dringlichkeit hatte. Sie habe in einem hohen Mass vom Anlass profitiert, einige Visitenkarten ausgetauscht. «Die neu gewonnenen Kontakte werde ich in den nächsten Wochen für konkrete Anliegen anfragen.» Ein anderer Teilnehmer, Caritas-Geschäftsleiter Daniel Furrer, sagte, er freue sich schon auf die nächsten Netzwerktreffen. «Nachhaltigkeit muss man sich auch leisten können.» Der soziale Aspekt sei auch ein Bestandteil der Agenda 2030 und deshalb sicher in Zukunft einmal Thema eines des jährlich stattfindenden NNZ-Symposiums. Organisator und NNZ-Geschäftsführer Simon Howald zog eine positive Bilanz: «Die Leute haben sich Zeit genommen, um am NNZ Symposium teilzunehmen. Das zeigt, dass ihnen das Thema wichtig ist.» Er hoffe, man trage die Inspiration hinaus, damit immer mehr Akteure mit auf den Weg kommen. Denn: «Wir müssen heute gemeinsam auf den Weg gehen, damit wir morgen einen Schritt weiter sind. Stehen bleiben ist keine Option, weil die Zeit drängt.» (red/lyv)

Zur Bildergalerie auf der Website des NNZ (Bilder: Monique Witter)

 

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